ISG-Syndrom verstehen: Wenn der Schmerz tiefer sitzt

ISG-Syndrom verstehen- Wenn der Schmerz tiefer sitzt - Christoffer Kreissig

Christoffer Kreissig

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Disclaimer: „Der Osteopathe“ ist ein privater Infokanal von Christoffer Kreissig und steht in keinem Zusammenhang mit der Praxis „Kreissig Osteopathie“.

von Christoffer Kreissig, Osteopath und Sportwissenschaftler

Viele Menschen kennen diesen dumpfen, tief sitzenden Schmerz im unteren Rücken, der einfach nicht verschwinden will. Mal drückt er ins Gesäß, mal sticht er beim Aufstehen, mal fühlt es sich an, als würde der ganze Rücken jede Bewegung verweigern. Oft haben Betroffene schon viel ausprobiert – Übungen, Medikamente, Spritzen, Massagen – doch das echte Durchatmen bleibt aus. Genau diese Fälle sehe ich in meiner Praxis immer wieder. Und sehr häufig steckt dahinter ein Ursprung, der selten sofort erkannt wird: das Iliosakralgelenk, kurz ISG.

Das ISG ist unscheinbar und bewegt sich nur wenige Millimeter, trägt aber eine enorme Aufgabe. Es verbindet Oberkörper und Beine, dämpft jeden Schritt und stabilisiert das Becken. Gerät das Zusammenspiel aus Muskeln, Faszien, Bändern und Haltung aus dem Gleichgewicht, übernimmt das ISG Ausgleichsarbeit, die eigentlich nicht seine Aufgabe wäre. Dadurch entsteht ein Schmerz, der tiefer sitzt als klassische Rückenschmerzen, oft einseitig, bohrend, drückend und vor allem dauerhaft.

Wie sich ein ISG-Syndrom anfühlt

Typisch für ISG-Schmerzen ist ein punktueller, sehr tiefer Schmerz im unteren Rücken oder Gesäß, der sich wie ein Druck oder Ziehen anfühlt. Viele Betroffene zeigen mit dem Finger auf die Stelle zwischen Rücken und Po – ein Gebiet, das fast schon als Erkennungszeichen für ISG-Probleme gilt. Besonders nach längerem Sitzen wirkt der Rücken „verrostet“, die ersten Schritte fallen schwer, und der Körper fühlt sich unsicher an. Beim Gehen oder Treppensteigen entstehen stechende oder ziehende Schmerzen, weil Muskeln und Faszien rund um das Becken versuchen, Stabilität zu erzeugen.

Nachts verschlechtern sich die Beschwerden häufig. Auf der betroffenen Seite zu liegen wird unangenehm, beim Umdrehen schießt der Schmerz durch, und viele Betroffene wachen davon auf. Die Ausstrahlung reicht oft bis ins Gesäß, in die Oberschenkel oder in die Kniekehle – deutlich anders als ein Ischias-Schmerz, weniger elektrisch, dafür flächiger. Viele entwickeln unbewusste Schonhaltungen, verkürzte Schritte oder ein kippendes Becken, was das Problem langfristig verstärkt. Besonders spannend ist, dass manche sogar Knieschmerzen bekommen, obwohl die Ursache im Becken liegt – ein gutes Beispiel dafür, wie komplex das System reagiert, wenn das ISG überlastet wird.

Schau dir mein Video zum ISG-Syndrom an – dort erkläre ich mit Skelett, Bewegung & Praxisbeispielen, warum so viele Diagnosen das eigentliche Problem verfehlen.

Warum ein ISG-Syndrom entsteht

Das ISG-Syndrom entsteht selten durch ein einzelnes Ereignis, sondern meist durch eine Kombination aus Fehlhaltungen, Spannungen und Belastungen, die sich über lange Zeit aufbauen. Muskuläre Dysbalancen, verkürzte Hüftbeuger, ein schwacher Beckenboden oder einseitiges Sitzen führen zu einer veränderten Beckenposition, wodurch das ISG mehr kompensieren muss. Bewegungsmangel spielt ebenfalls eine große Rolle: Wer viel sitzt oder steif steht, verliert den natürlichen Bewegungsspielraum im Becken.

Auch Überlastungen – etwa durch Training, falsche Bewegungen oder alte Stürze – bringen die Struktur aus dem Gleichgewicht. Hinzu kommt Stress, der Muskeltonus und Atmung beeinflusst und besonders im Beckenbereich Spannung erzeugt. Bei Frauen kann die Schwangerschaft langfristig Instabilität im Becken hinterlassen, da die hormonelle Lockerung der Bänder enorme Umstellungen bewirkt. All diese Faktoren erzeugen ein Zusammenspiel aus Festhalten, Schutzmechanismen und Ausgleichsarbeit, in dessen Mittelpunkt das ISG steht – und irgendwann überfordert reagiert.

Aus osteopathischer Sicht ist das ISG weniger der eigentliche Problemort als ein Spiegel des gesamten Systems. Schmerzen entstehen dort, wo der Körper kompensiert – nicht dort, wo die Ursache liegt. Darum behandle ich nicht nur das Gelenk, sondern immer auch umgebende Strukturen wie die Lendenwirbelsäule, den Beckenboden, das Zwerchfell oder die Faszienketten. Erst wenn diese Bereiche wieder miteinander kommunizieren, kann der Schmerz nachhaltig verschwinden.

Was wirklich hilft – und wann du handeln solltest

Ein ISG-Syndrom heilt selten durch „Einrenken“, sondern durch ein besseres Verständnis des eigenen Körpers. Regelmäßige sanfte Bewegung, bewusste Atmung, kurze Gehpausen und leichte Beckenmobilisationen bringen das System häufig wieder ins Gleichgewicht. Wichtig ist, langes Sitzen zu vermeiden oder immer wieder zu unterbrechen. Eine osteopathische Behandlung hilft dabei, herauszufinden, ob das ISG wirklich die Ursache ist oder ob andere Strukturen den Schmerz erzeugen.

Zum Arzt oder Osteopathen solltest du gehen, wenn der Schmerz länger als zwei Wochen anhält, nachts stärker wird, ins Bein ausstrahlt oder mit Taubheitsgefühl verbunden ist. Ebenso dann, wenn du bereits vieles ausprobiert hast, ohne dass sich etwas verändert hat. Unbehandelt kann sich der Körper über Monate oder Jahre in Schonhaltungsmuster hineinbewegen, die immer schwieriger zu lösen sind.

Schlussendlich ist Schmerz ein Feedback – kein Fehler. Das ISG zeigt dir, dass Spannung, Kraft und Bewegung nicht mehr harmonieren. Wenn du lernst, diese Signale zu deuten und dein System wieder zu stabilisieren, verändert sich nicht nur dein Schmerz, sondern deine gesamte Körperwahrnehmung. Heilung bedeutet nicht Wegdrücken, sondern Verstehen, Reagieren und Wiederherstellen von Funktion.

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FAQ – Häufige Fragen zum ISG-Syndrom

Hilft Wärme oder Kälte?

Beides kann helfen. Wärme entspannt Muskulatur, Kälte lindert Entzündung. Wichtig: Immer im Wechsel, nie zu intensiv.

Wie lange dauert die Heilung?

Je nach Ursache wenige Wochen bis einige Monate.
Je früher du reagierst, desto schneller normalisiert sich das System.

Ist das ISG-Syndrom gefährlich?

Nein. Es ist unangenehm, aber nicht gefährlich – wenn du verstehst, was dahinter steckt.

Warum hilft Dehnen oft nicht?

Weil Spannung meist Schutz ist – nicht Verkürzung.
Dehnen ohne Verständnis kann das System überfordern.

Kann man das selbst behandeln?

Teilweise ja – mit Bewegung, Atmung, Wahrnehmung.
Aber ohne Analyse des ganzen Systems ist es wie „am Feuer löschen, ohne zu wissen, woher der Rauch kommt“.

Ich hoffe, der Blog Beitrag hat Dir gefallen und konnte gut aufklären. Wenn Deine Fragen nicht vollständig beantwortet wurden, schreib mir gern.

Und für Termine zur Behandlung, gern per WhatsApp Chat anfragen.

Viele Grüße,
Christoffer