Kreissig- Osteopathie

Wenn sich der Körper festhält – Muskelblockaden verstehen und lösen

Wenn sich der Körper festhält – Muskelblockaden verstehen und lösen - Christoffer Kreissig

Christoffer Kreissig

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Fast jeder kennt dieses Gefühl: Plötzlich ist da eine Bewegungseinschränkung im Nacken, ein Ziehen im unteren Rücken oder ein Druck zwischen den Schulterblättern. Und oft begleitet von dem Gedanken: „Da müsste man mal was einrenken.“ Was die meisten als „Blockade“ oder „eingeklemmten Nerv“ empfinden, ist in vielen Fällen keine strukturelle Verschiebung eines Knochens, sondern eine Schutzreaktion des Körpers – eine sogenannte Muskelblockade. Diese entsteht durch ein Zusammenspiel aus muskulären Fehlspannungen, faszialen Verkettungen und neurophysiologischer Regulation.

Als Osteopath begegne ich Muskelblockaden in der täglichen Praxis – bei Menschen mit Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, Bewegungseinschränkungen oder unspezifischen Beschwerden. Viele Betroffene wünschen sich eine schnelle Lösung und verbinden damit das klassische „Einrenken“. Doch was passiert dabei wirklich? Wie entstehen diese Blockaden überhaupt – und wie lassen sie sich nachhaltig lösen, ohne nur an der Oberfläche zu arbeiten?

Muskelblockade oder Gelenkblockade – was steckt dahinter?

Muskelblockaden sind Schutzspannungen, die der Körper aufbaut, wenn er eine bestimmte Bewegung oder Belastung als potenziell gefährlich einstuft. Das geschieht in Sekundenschnelle – zum Beispiel nach einer ruckartigen Bewegung, bei Überbelastung oder auch durch emotionale Anspannung. Die Muskeln rund um ein Gelenk spannen sich reflexartig an, um dieses zu stabilisieren. Ziel ist es, Verletzungen zu vermeiden. Das Problem: Die Spannung bleibt oft bestehen, selbst wenn die Gefahr vorbei ist.

Typisch für eine Muskelblockade ist die eingeschränkte Beweglichkeit, ein dumpfer Schmerz oder ein Gefühl von „feststecken“. Der Bereich fühlt sich unbeweglich, steif oder „wie blockiert“ an – ohne dass auf bildgebenden Verfahren (wie MRT oder Röntgen) ein struktureller Schaden sichtbar wäre. Das liegt daran, dass die Ursache meist funktioneller Natur ist: Die Muskeln und Faszien sind in einem Alarmzustand – oft begleitet von vegetativen Reaktionen wie erhöhter Muskeltonus, veränderter Atmung oder Stresssymptomen.

Besonders häufig entstehen Muskelblockaden in der Lendenwirbelsäule, im Iliosakralgelenk, im Brustwirbelbereich (zwischen den Schulterblättern) und in der Halswirbelsäule. Sie können sich lokal zeigen – oder über Muskelketten und nervale Verbindungen in ganz andere Körperregionen ausstrahlen. Ein blockiertes ISG kann zum Beispiel Knieschmerzen verursachen, ein verspannter Brustwirbelbereich zu Atemproblemen führen oder ein blockierter Atlas (erster Halswirbel) Schwindel und Kopfschmerzen begünstigen.

Auch viszerale Einflüsse (z. B. vom Darm, der Leber oder dem Magen) können Muskelblockaden hervorrufen. Der Körper versucht in solchen Fällen, ein inneres Ungleichgewicht über äußere Spannung zu kompensieren. Deshalb ist es wichtig, nicht nur auf die betroffene Stelle zu schauen, sondern ganzheitlich zu begreifen, wie die Blockade entstanden ist – und was sie aufrechterhält.

Einrenken – was wirklich passiert (und was nicht)

Viele Patient:innen wünschen sich ein „Einrenken“, wenn sie mit Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen in die Praxis kommen. Doch hier lohnt sich ein genauer Blick: Was ist das eigentlich – dieses Einrenken? Und was passiert dabei im Körper?

Das klassische „Einrenken“ – korrekt als manipulative Technik bezeichnet – ist eine spezielle Form der Mobilisation, bei der mit einem schnellen, kurzen Impuls (High Velocity Thrust) ein Gelenk gezielt in eine bestimmte Richtung bewegt wird. Dabei kann es zu einem hörbaren „Knacken“ kommen, das viele Menschen als Zeichen von „Erleichterung“ empfinden. Dieses Knacken ist jedoch kein Beweis für eine „Rückführung“ eines Gelenks in seine Position, sondern meist eine Luftbläschenbildung im Gelenkspalt – vergleichbar mit dem Geräusch beim Fingerknacken.

Wichtig zu verstehen: Beim Einrenken wird kein Knochen „zurückgeschoben“. Vielmehr wird durch den Impuls das Nervensystem beeinflusst – konkret: die Muskelspindeln, das propriozeptive System und die Schmerzverarbeitung. Das führt in vielen Fällen zu einer sofortigen Entspannung der Muskulatur, einer verbesserten Beweglichkeit und einem subjektiven Gefühl der Erleichterung.

Doch: Der Effekt ist oft nur kurzfristig, wenn die tieferliegenden Ursachen nicht mitbehandelt werden. Deshalb arbeite ich als Osteopath nie symptomorientiert, sondern frage immer: Warum hat sich der Körper so geschützt? Was war der Auslöser – und wie können wir die Balance im gesamten System wiederherstellen?

In vielen Fällen reicht eine manipulative Technik allein nicht aus – oder ist gar nicht sinnvoll. Bei ausgeprägten Muskelblockaden, hoher vegetativer Anspannung, bei älteren Menschen oder bei bestimmten Vorerkrankungen wähle ich lieber sanftere Methoden: zum Beispiel funktionelle Techniken, Faszientechniken, craniosakrale Impulse oder gezielte Atemarbeit. Ziel ist es, dem Körper zu signalisieren: Du bist sicher. Du darfst loslassen. Erst wenn dieser Zustand erreicht ist, kann eine Muskelblockade wirklich gelöst werden – und die Beweglichkeit kehrt dauerhaft zurück.

Der nachhaltige Weg aus der Blockade – Körper, Kopf und Gewohnheiten

Nach der akuten Phase beginnt die eigentliche Arbeit: die nachhaltige Entspannung und Neuausrichtung des Körpers. Denn so hilfreich eine manuelle Technik im Moment auch sein mag – ohne Veränderung im Alltag kommt die Blockade oft zurück. Die Ursachen sind häufig tief verankert: Bewegungsmangel, sitzende Tätigkeit, unausgeglichene Belastung, fehlende Regeneration oder chronischer Stress.

Deshalb kombiniere ich in meiner Arbeit die manuelle Behandlung mit einem ganzheitlichen Coachingansatz. Ich zeige dir, wie du durch gezielte Übungen, bewusste Bewegung und kleine Alltagstricks dein Körpergefühl stärkst und deine Wirbelsäule langfristig entlastest. In meinen Onlinekursen lernst du zudem, wie dein Nervensystem funktioniert, welche Rolle deine Atmung spielt – und wie du durch sanfte Techniken zu Hause selbst Einfluss nehmen kannst.

Besonders wichtig ist das Thema Mindset: Viele Menschen entwickeln nach wiederkehrenden Blockaden eine Angst vor bestimmten Bewegungen oder Situationen. Sie vermeiden bestimmte Sportarten, schlafen unbewusst verkrampft oder halten im Alltag ständig Spannung. Genau hier setze ich an: mit Information, Klarheit und Vertrauen in den eigenen Körper. Denn dein Körper ist nicht „kaputt“ – er schützt dich. Und genau das ist deine Chance.

Ich ermutige meine Patient:innen, wieder in Bewegung zu kommen – bewusst, achtsam und stabilisierend. Mit regelmäßiger Mobilisation, Kräftigung der tiefen Muskulatur, einer entspannten Atmung und einem besseren Körperbewusstsein lässt sich nicht nur die nächste Blockade vermeiden – sondern auch ein neues Lebensgefühl entwickeln.

Denn wenn du deinen Körper verstehst, kannst du ihm auch helfen. Und wenn dein Körper sich sicher fühlt, wird er dich mit Beweglichkeit, Stabilität und Leichtigkeit belohnen.

Fazit

Muskelblockaden sind kein Zufall – sie sind das Ergebnis von Schutzprogrammen, die dein Körper für dich aktiviert. Doch genauso wie er sie aufgebaut hat, kann er sie auch wieder lösen – mit der richtigen Unterstützung, achtsamer Behandlung und einem klaren Blick auf das große Ganze.

Das sogenannte „Einrenken“ kann ein sinnvoller Impuls sein – aber nur, wenn es eingebettet ist in eine Behandlung, die nachhaltig denkt und den Menschen als Ganzes sieht. Als Osteopath begleite ich dich genau auf diesem Weg: raus aus der Spannung – rein in die echte Veränderung.